Wege und Strategien aus der Krise – Experten-Interview mit Astrid Lehmeyer | Astrid Lehmeyer - Rekrutierung - Training – Beratung

Wege und Strategien aus der Krise – Experten-Interview mit Astrid Lehmeyer | Astrid Lehmeyer - Rekrutierung - Training – Beratung
Wege und Strategien aus der Krise - staffboard Experten-Interviews (Foto von Andrea Piacquadio von Pexels | https://www.canva.com/photos/MAD9F14FtPo-positive-young-african-american-lady-holding-light-bulb-in-hand-on-gray-background/)

[München – 17.07.2020] Wir fragen – HR-Experten mit diversen fachlichen Hintergründen antworten. Im Zuge der Corona-Pandemie und der “neuen Normalität” ist die Informationsflut oft schwierig einzuordnen. Diese reflektierten Perspektiven und Einschätzungen sollen ein Stück weit dabei helfen, die aktuell für viele unübersichtliche Situation etwas besser zu sortieren: Was sind direkte Auswirkungen und substantielle Herausforderungen, aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen? Es gilt, für uns alle besser zu verstehen, was nun wirklich wichtig ist – speziell für Startups und KMU, aber auch für andere Organisationen. 

“In Krisenzeiten kann es – je nach Persönlichkeit der Unternehmer und Führungskräfte – bedeuten, dass diese sich vor den Mitarbeitern zurückziehen. Wobei gerade jetzt in der Krise eine klare und ausführliche Kommunikation für das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter in meinen Augen essentiell ist.”

Was tun in der Corona-Krise? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen 
(23) … heute mit: Astrid Lehmeyer | Astrid Lehmeyer – Rekrutierung – Training – Beratung

Anmerkung: Mit der im Folgenden verwendeten Bezeichnung “kleinere Unternehmen” sind primär Startups, KMU und auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitern gemeint. Gleichwohl treffen die von den Experten genannten Aspekte vielfach auch auf größere Organisationen mit mehreren Hundert oder Tausend Beschäftigten zu. 

Themenfeld: “Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise”

staffboard: Astrid, seit Deinem 24. Lebensjahr bist Du leidenschaftliche Unternehmerin, die meiste Zeit davon mit Personalverantwortung. Welche Herausforderungen siehst Du durch die aktuelle Corona-Krise auf Unternehmer und (kleinere) Unternehmen zukommen, speziell im Kontext Deiner eigenen Erfahrungen?

Astrid Lehmeyer: Corona und der Lockdown dauern mittlerweile schon mehrere Monate an. Viele davon betroffene, kleine Unternehmen haben ihre Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt und bauen auch teils Personal ab. Die Frage ist nun, wie schnell die Wirtschaft zukünftig wieder anzieht? Vor allem beim Personalabbau heißt das im Umkehrschluss, dass wieder eingestellt werden muss. Kleine Unternehmen machen das jedoch meist ad hoc und nicht strategisch. Folglich fallen dann steigende Kundennachfragen und Mitarbeitersuche zusammen. Wenn ich mich an meine eigenen Anfänge als Unternehmerin zurück erinnere, war ich oft damit beschäftigt gleichzeitig Kundenanfragen zu bearbeiten und Mitarbeiter zu suchen, die den steigenden Arbeitsaufwand mit abarbeiten. Das kann man jedoch mit strategischer Personalplanung abfedern.

Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele (kleinere) Unternehmen und damit so wichtig für deren Fortbestehen?

Die Frage ist, ob strategische Personalplanung sich wirklich aufs konkrete Fortbestehen auswirkt. Worauf sie sich jedoch auswirkt ist, wie schnell ein Unternehmen nach der Krise sich wieder erholt. Natürlich kann durch mangelnde Fachkräfte der ein oder andere Auftrag verloren gehen. Kunden können abspringen und man wird von der Konkurrenz abgehängt. Der Aufbau nach der Krise wird aber somit immer schwieriger. Meine Devise: Jetzt in der Krise (auch personell) vorsorgen, die Zeit für die Festigung einer starken unternehmerischen Basis nutzen, um danach wieder durchzustarten.

“Meine Devise: Jetzt in der Krise (auch personell) vorsorgen, die Zeit für die Festigung einer starken unternehmerischen Basis nutzen, um danach wieder durchzustarten.

Themenfeld: “Mitarbeiter, Führung und HR”

Als HR Beraterin hilfst Du Unternehmern, derartige Herausfordeurngen zu meistern. Was macht diese Situation mit den Menschen? Welche Effekte erwartest Du für die Führungskräfte und Mitarbeiter in (kleineren) Unternehmen? Was braucht es, um zielgerichtet damit umzugehen?

In meiner täglichen Arbeit beobachte ich, dass viele Menschen – vor allem in kleinen Betrieben – Angst um ihre Arbeitsstelle haben. So einige wurden auch gekündigt. Was vor einem Jahr eine sichere Branche war, verzeichnet aktuell Umsatzeinbrüche bis hin zu komplett fehlenden Einnahmen. Das ist für viele (auch Unternehmer) ein Schock. Je nach Persönlichkeit der Unternehmer und Führungskräfte kann das bedeuten, dass diese sich vor den Mitarbeitern zurückziehen. Wobei gerade jetzt in der Krise eine klare und ausführliche Kommunikation für das Sicherheitsbedürfnis der Mitarbeiter in meinen Augen essentiell ist. Man kann darüber streiten, jedoch ich war und bin immer für absolute Transparenz. Mitarbeiter sollten auch in schlechten Zeiten mitgenommen werden und Ihnen wenn möglich Verantwortung übergeben werden. In dem Moment, wo eine gewisse Handlungsfähigkeit wieder möglich ist, geht der Schockzustand bei vielen zurück, man packt an und ist in der Lage positive Möglichkeiten zu erkennen.

Wie bewertest Du die Rolle von HR (Human Resources / Human Relations / Personalwesen)? Was kann – oder sogar: muss – HR tun, um eventuell gegenzusteuern und die Organisation weiter zu stabilisieren?

Nun, genau um diese Möglichkeiten zu erkennen, kann HR unterstützen. Zum einen kann HR die Kommunikation allgemein begleiten. Nicht jede Führungskraft ist der geborene Krisenkommunikator. Hier kann HR beraten und gemeinsam Kommunikationsstrategien erarbeiten.
Darüber hinaus hat HR die Möglichkeit Workshops oder Thinktanks im Unternehmen zu etablieren. Sie können verschiedene Personen mit unterschiedlicher Expertise zusammenbringen, um gemeinsam die Strategien für die neue Situation zu verbessern oder zu erarbeiten. Ganz ehrlich, wenn die Auftragslage zurückgeht, sollte man die Zeit nutzen und sich gemeinsam hinsetzen, so viel unterschiedliche Sichtweisen wie möglich zusammenbringen und wirklich mal “spinnen”, wie man gemeinsam aus der Krise gestärkt hervorgehen kann. Das mag nun abgehoben klingen, aber ich habe das wirklich bereits in anderen Situationen erlebt, vor allem das positive Mindset der Moderatoren/ Führungskräfte / HR kann unheimlich viel bewegen, wenn sie es schaffen, die anderen mitzureißen.

“Zurück zur ‘Positivity’ würde ich mal sagen. Schauen, was möglich ist und nicht, was nicht geht. Leider höre ich das in letzter Zeit viel zu oft.”

Themenfeld: “Digitalisierung, Kompetenzen und Mindset”

Welche Sofortmaßnahmen können (kleinere) Unternehmen direkt ergreifen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben? Gibt es eventuell ganz konkrete Handlungsanweisungen, speziell aus Deiner Perspektive?

Meine Perspektive ist es, die Krise als Chance zu sehen – auch wenn das an manchen Tagen nicht leicht fällt. Aus meiner Perspektive ist teilweise die sehr starke Spezialisierung einiger Unternehmen diesen in letzter Zeit auf die Füße gefallen. Als Handlungsanweisung würde ich sagen, schaut mal nach links und rechts und versucht angrenzende Märkte zu bedienen. Hier sind aus personeller Sicht Quereinsteiger ein Segen. Diese bringen einen weiteren Blick – auch in andere Branchen mit – und können bei der Erschließung neuer Märkte unheimlich hilfreich sein. Leider scheuen sich immer noch viele Unternehmen Quereinsteiger einzustellen. Vielleicht ändert sich das dadurch ja zukünftig?

Und welches Mindset bzw. Einstellung und welche Kompetenzen brauchen (kleinere) Unternehmen, um gestärkt aus dieser Krisensituation hervorzugehen? Wie zeigt sich das konkret?

Oh, das Thema Mindset. Zurück zur “Positivity” würde ich mal sagen. Schauen, was möglich ist und nicht, was nicht geht. Leider höre ich das in letzter Zeit viel zu oft. Ich könnte nun auch was über das “Fixed vs. Growth Mindset” einbringen, aber das sprengt den Rahmen des Interviews. 
Zusammengefasst braucht es nun Optimismus und Offenheit für Veränderung, in manchen Branchen auch ganz einfach Durchhaltevermögen. Wer in der Lage ist, sich der Situation anzupassen, aktiv agiert und nicht nur reagiert, wird langfristig wieder aus der Krise gestärkt hervorgehen. 

Welche Rolle kann Digitalisierung spielen, um Antworten in der Krise zu finden? Können digitale HR-Lösungen hier einen Mehrwert bringen?

Ganz ehrlich, für mich bedeutet Digitalisierung einfach eine Erleichterung der alltäglichen Arbeit. Dazu brauchte ich keine Krise – auch nicht, um vielleicht Videokonferenzen einzuführen. Als Mutter habe ich generell weniger Zeit bzw. meine Zeit ist mir einfach zu kostbar und deshalb nutze ich verschiedene Tools bereits seit längerem. 
Wer das bisher nicht getan hat, hatte natürlich durch die Krise die Gelegenheit, die Vorteile von digitalen Lösungen kennenzulernen. Ich denke da auch in meinem Fall an Videointerviews im Recruiting oder den Austausch zu Bewerbern über ein Bewerbermanagementsystem. Das steigert die Produktivität der Arbeit ungemein (und spart auch teils Reisekosten). Werden diese Arbeitsweisen auch nach der Zeit im Home Office weitergeführt, bleibt mehr Zeit für Kommunikation, Netzwerken und auch strategische Arbeit. Und gerade das bringt doch Unternehmen schneller aus der Krise.

“Werden diese digitalen Arbeitsweisen auch nach der Zeit im Home Office weitergeführt, bleibt mehr Zeit für Kommunikation, Netzwerken und auch strategische Arbeit. Und gerade das bringt doch Unternehmen schneller aus der Krise.

Themenfeld: “Chancen, Gewinner und Ausblick”

Lass uns an dieser Stelle eine Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch neue Chancen mit sich bringt. Wie bewerten Du das in diesem Kontext? Welche Chancen siehst Du und warum? 

Meine Rede. Die Chance heißt zum einen Digitalisierung. Wobei wir in meinen Augen aktuell etwas über das Ziel hinausschießen, da wirklich alles digitalisiert wird, was geht. Ich denke da an die Unzahl der digitalen Kongresse, Webinare etc. Solche Formate leben vom persönlichen Austausch und Netzwerken – meine Hoffnung bzw. Vorhersage: Es wird wieder zurückgehen. Am Ende bleiben hoffentlich wirklich nützliche und arbeitserleichternde Tools und Anwendungen bestehen. Dann haben wir sehr viel aus der Krise mitgenommen. 
Zum anderen hoffe ich, dass durch die Krise das Thema Strategie und auch strategische Personalplanung, nicht mehr das allgemeine Reagieren auf die momentane Situation, bei kleinen Unternehmen in den Vordergrund gerät. Aber ich glaube, das ist nur eine Hoffnung… 🙂 

Auch wenn Du kein Hellseher bist interessiert uns Deine Einschätzung: Welche Unternehmen bzw. Branchen werden aus Deiner Sicht am meisten profitieren, wenn die Krise wieder vorbei ist und so etwas wie “Normalität” einkehrt? Warum gerade die von Dir genannten?

Schwere Frage, es wird jedenfalls derzeit schon und auch in nächster Zeit kräftig durchgemischt. Ohne hellseherische Fähigkeiten zu bemühen kann ich sagen, das systemrelevante Branchen natürlich profitieren. Wobei das auch genau die Branchen sind, die seit jeher über Fachkräftemangel klagen. Das wirkliche Profitieren wird sich also in Grenzen halten, da mangelndes Personal bereits vieles limitiert. Wie der Konsum und alle beteiligten Branchen sich entwickeln werden – mal schauen. Derzeit habe ich das Gefühl, dass hier viel runtergefahren ist. 
Und: Leben Unternehmen die Digitalisierung auch nach der Krise weiter, so wird die IT-Branche definitiv weiterhin einen Aufschwung erleben. 

Was möchtest Du uns sonst noch mitteilen? Wir freuen uns auf Deinen Kommentar oder weitere Gedanken, die bisher in keiner anderen Antwort Platz hatten… 🙂

Vielleicht noch einen kurzen Kommentar, warum ich selbst so positiv mit (unternehmerischen) Krisen umgehe: Ich bin seit meinem 24. Lebensjahr selbständig und war 11 Jahre Inhaber eines Bildungsinstituts. Dort bot ich mit teils 15 Mitarbeitern Nachhilfe an und in dieser Branche muss man in einem halben Jahr (von Februar – Juni/Juli) den Jahresgewinn einfahren. Nach dem Schock im ersten Jahr begann ich strategisch vorzugehen und beispielsweise auch Mitarbeiter bereits in Zeiten außerhalb der Saison zu suchen und darüber zu halten. So hatte ich, obwohl die Branche über Lehrermangel jammert, nie wirklich Probleme. Auch habe ich die ruhigen Zeiten stets genutzt um mich auf die Saison vorzubereiten. Die Einführung eines QM oder Digitalisierungsprojekte haben wir immer in diese Zeit gelegt, so waren wir gut für die Saison gerüstet. Natürlich kann man die Krise nun nicht mit einem Saisongeschäft vergleichen, jedoch hilft das Mindset und die Einstellung “ruhige Zeiten soll man zum Aufräumen und Vorbereiten nutzen” mir persönlich gut durch die Krise und ist hoffentlich auch für andere ein wertvoller Gedanke.

Astrid Lehmyer | Astrid Lehmeyer – Rekrutierung - Training - Beratung

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Astrid Lehmyers Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund: 

  • HR Strategie
  • Organisationsentwicklung
  • Unternehmenskultur & Werte
  • New Work / Zukunft der Arbeitswelt / Holokratie
  • Digitalisierung (von Unternehmensprozessen)
  • Recruiting

Über unsere heutige HR Expertin: 

Ich heiße Astrid Lehmeyer und bin Inhaberin von Astrid Lehmeyer – Rekrutierung | Training | Beratung. Als HR-Beraterin arbeite ich für kleine Unternehmen und suche gemeinsam für diese in Form von Recruitment Process Outsourcing Mitarbeiter. Nachdem ich der Meinung bin, dass gute HR keine Hexerei ist und vor allem bei kleinen Unternehmen oftmals wenige Veränderungen genügen um deutliche Verbesserungen zu erzielen, biete ich auch Workshops und Beratung an – unter anderem zu Recruiting und HR-Digitalisierung. Aktuell schreibe ich nebenbei als Autorin für eine Fachzeitschrift zu diesen Themen.

Als Hintergrund bringe ich mittlerweile 8 Jahre Erfahrung aus der Personalberatung, diverse Studiengänge (u.a. zu Organisations- und Personalentwicklung M.A.) und viele, viele Jahre als Unternehmerin mit.

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