Wege und Strategien aus der Krise – Experten-Interview mit Tereza Sommerfeld | allaboutHRLaw

Wege und Strategien aus der Krise – Experten-Interview mit Tereza Sommerfeld | allaboutHRLaw
Wege und Strategien aus der Krise - staffboard Experten-Interviews

[München – 17.04.2020] Wir fragen – HR-Experten mit diversen fachlichen Hintergründen antworten. Diese reflektierten Perspektiven und Einschätzungen sollen ein Stück weit dabei helfen, die aktuell für viele unübersichtliche Situation im Zuge der Corona-Krise und die damit verbundene Informationsflut etwas besser zu sortieren: Was sind direkte Auswirkungen, substantielle Herausforderungen, aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen. Es gilt, für uns alle besser zu verstehen, was nun wirklich wichtig ist – speziell für Startups und KMU, aber auch für andere Organisationen. 

“Nutze die Chance! In Bezug auf: Wie belastbar ist mein Geschäftsmodell überhaupt? Habe ich wirklich Führungskräfte, die Leader sind und nicht nur Manager? Passen alle Mitarbeiter wirklich auch ins Unternehmen und zum Unternehmen?
Wenn es irgendwann eine gute Möglichkeit gibt einen kleinen oder gar großen Reset zu machen, dann sicherlich jetzt.

Was tun in der Corona-Krise? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen 
(18) … heute mit: Tereza Sommerfeld von allaboutHRLaw

Anmerkung: Mit der im Folgenden verwendeten Bezeichnung “kleinere Unternehmen” sind primär Startups, KMU und auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitern gemeint. Gleichwohl treffen die von den Experten genannten Aspekte vielfach auch auf größere Organisationen mit mehreren Hundert oder Tausend Beschäftigten zu. 

Themenfeld: “Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise”

staffboard: Tereza, Du bist selbst langjährige und erfahrene Unternehmerin im HR Bereich. Welche Herausforderungen siehst Du durch die aktuelle Corona-Krise auf (kleinere) Unternehmen zukommen, speziell im Kontext Deiner Expertise? 

Tereza Sommerfeld: Aus meiner Sicht ist es vor allem die Unsicherheit und geringe Vorhersehbarkeit der derzeitigen Marktlage, die viele quält, wenn wir von den Glücklichen reden – und natürlich gibt es auch solche, die an Massenentlassungen denken müssen. Wir haben Kunden, die haben Kurzarbeit angemeldet, aber bisher nicht begonnen, da es doch nicht ganz so schlimm gekommen ist wie anfangs gedacht. Es ist auf eine seltsame Art und Weise eine schizophrene Lage: Bei manchen ist “business as usual”, und bei manchen bricht alles ein. Beide Situationen sind nicht wirklich klar vorab diagnostizierbar. Unabhängig von der wirtschaftlichen Seite gibt es auch viel Unsicherheit bei den Führungskräften bezüglich der doch völlig anderen Art und Weise, wie Mitarbeiter jetzt geführt werden. Dies betrifft insbesondere Führungskräfte mit einem Menschenbild, das auf Misstrauen aufbaut. Solche mit positiven Menschenbild glauben und vertrauen. Die anderen werden geplagt von Kontrollverlust und dem Misstrauen, dass die Mitarbeiter nicht kontrollierbar sind und machen können was sie wollen – ungeachtet dessen, dass Mitarbeiter generell machen können, was sie wollen, denn man kann niemanden zwingen sich zu engagieren. Auch im Büro nicht. 

Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele (kleinere) Unternehmen und damit potentiell gefährlich für deren Fortbestehen? 

Mission critical für kleinere Unternehmen ist sicherlich die wirtschaftliche Situation, denn die Liquiditätsreserven sind einfach geringer als bei Großunternehmen und eine vernünftige Planung bei der jetzigen Lage zu machen ist nicht einfach und im Zweifel nicht nachhaltig. Wesentlich für die Entwicklung und die Unternehmenskultur ist aber auch der Umgang mit dem Home Office und der Tatsache, dass virtuell geführt wird. Dies wird aus meiner Sicht auch die letzten Bastionen der Gegner von virtuellem Arbeiten überzeugen und den Weg freimachen für mehr Selbstbestimmung und Selbstverantwortung an die Mitarbeiter. Dies sehe ich als eine sehr positive Entwicklung. Die wirtschaftliche Instabilität und mangelnde Vorhersehbarkeit im derzeit noch sehr starren wirtschaftlichen Umfeld ist für die Unternehmen aber gefährlich. Wenn ich höre, dass die Soforthilfe nur dann beantragt werden darf, wenn man seine privaten Liquiditätsreserven aufgebraucht hat, dann finde ich es schwierig und wenn dann noch dazukommt, das eine Bank mindestens 1-2 Monate braucht, um einen Darlehensantrag zu bearbeiten und dann noch weitere 1-2 Monate, um ihn auszuzahlen, dann sind wir wieder in der Zeitmaschine einen gewaltigen Sprung nach hinten gekommen.

“Unabhängig von der wirtschaftlichen Seite gibt es auch viel Unsicherheit bei den Führungskräften bezüglich der doch völlig anderen Art und Weise, wie Mitarbeiter jetzt geführt werden. Dies trifft insbesondere Führungskräfte mit einem Menschenbild, das auf Misstrauen aufbaut.

Themenfeld: “Mitarbeiter, Führung und HR”

Du kennst Dich mit allen Facetten von HR und Führung aus: Was macht diese Situation mit den Menschen? Welche Effekte erwartest Du für die Führungskräfte und Mitarbeiter in (kleineren) Unternehmen? Was braucht es, um zielgerichtet damit umzugehen?

Ich schätze, wir werden gerade gewollt oder ungewollt in die neue Arbeitswelt reingedrängt. Für viele ein Segen, für manche zu schnell. Ich persönlich glaube, dass die Mitarbeiter in den meisten Fällen nicht das Thema mit dieser Veränderung haben, aber die Führungskräfte. Hier insbesondere die, die ohnehin nicht vertrauen, aber auch generell die Führungskräfte in der Gesamtheit, denn virtuelle Führung ist anders und eine Herausforderung. Selbstdisziplin ist in diesen Tagen hoch im Kurs.

Wenn wir weggehen von dem rein wirtschaftlichen und funktionstechnischen Blickwinkel und den Menschen betrachten, dann wird der Mitarbeiter zum “Problemfall”. Gerade in kleineren Unternehmen der “new economy” arbeiten viele ausländische Mitbürger, für die ihre Arbeit einer der wesentlichen sozialen Anknüpfungspunkte war. Dies wird im Home Office zur echten Herausforderung. Wir versuchen viel virtuelle soziale Aktivitäten anzubieten, angefangen von regelmäßigen Meetings, zu virtuellen office lunches, challenges über individuelle Betreuungs- und Gesprächsangebote, um diejenigen aufzufangen, die alleine in ihren 4 Wänden sitzen. Dies ist nicht einfach…

Mit allaboutHRLaw bietet Ihr Unternehmen eine “externe Personalabteilung” an: Wie bewertest Du die Rolle von HR (Human Resources / Human Relations / Personalwesen)? Was kann – oder sogar: muss – HR tun, um eventuell gegenzusteuern und die Organisation weiter zu stabilisieren? 

Aus meiner Sicht müssen wir als HRler die Führungskräfte unterstützen, diese Situation zu meistern, auch über ihre persönlichen möglichen Befindlichkeiten hinweg. HR sollte mehr denn je in der jetzigen Situation der Sensor in die Mitarbeiter und Organisation als solches sein. Die Mitarbeiter, um hier einzugreifen, wenn es diesen nicht gut geht oder Befindlichkeiten oder Bedürfnisse vorhanden sind, die angesprochen und geklärt werden müssen, um arbeitsfähig zu sein. Und die Organisation, um sicherzustellen, dass es das Gefühl des Miteinanders, des Unternehmens als funktionierende Einheit, noch gibt. Ich denke, HR muss in dieser Situation die Führungskräfte mitlenken und Bewusstsein schaffen, da diese mit den rein wirtschaftlichen Themen wahrscheinlich mehr als genug zu kämpfen haben.

“Gerade in kleineren Unternehmen der “new economy” arbeiten viele ausländische Mitbürger, für die ihre Arbeit einer der wesentlichen sozialen Anknüpfungspunkte war. Dies wird im Home Office zur echten Herausforderung.

Themenfeld: “Digitalisierung, Kompetenzen und Mindset”

Welche Sofortmaßnahmen können (kleinere) Unternehmen direkt ergreifen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben? Gibt es eventuell ganz konkrete Handlungsanweisungen speziell aus Deiner umfassenden HR-Perspektive? 

Dies hängt sehr stark von den individuellen Gegebenheiten ab. Wie eingangs schon erwähnt halte ich die jetzige Zeit für fast schizophren oder “yingyang”. Das A und O ist sicherlich wirtschaftliche Komponente beziehungsweise die Sicherung der wirtschaftlichen Überlebensfähigkeit. Unmittelbar darauf sollten in fast allen Industriezweigen die Mitarbeiter kommen. Hier nutzen tatsächlich einige unserer Kunden die Möglichkeit, sich bei einigen Mitarbeitern neu zu orientieren. Auch und insbesondere auf Grund der andersartigen Situation kann man noch einmal anders beurteilen, ob ein Mitarbeiter auf die Stellen und ins Unternehmen passt. Der Bewerbermarkt ist derzeit ausgesetzt. Wir persönlich haben noch nie so viele qualifizierte Bewerbungen erhalten wie jetzt. Personal drängt nun auf den Arbeitsmarkt und dies kann man sich sicherlich zu Nutze machen, um seine Workforce auf einen Stand zu bringen, der für die Organisation passt und Spaß macht.

Und welches Mindset bzw. Einstellung und welche Kompetenzen brauchen (kleinere) Unternehmen, um gestärkt aus dieser Krisensituation hervorzugehen? Wie zeigt sich das konkret?

Nutze die Chance! In Bezug auf: Wie belastbar ist mein Geschäftsmodell überhaupt? Habe ich wirklich Führungskräfte, die Leader sind und nicht nur Manager? Passen alle Mitarbeiter wirklich auch ins Unternehmen und zum Unternehmen? Wenn es irgendwann eine gute Möglichkeit gibt einen kleinen Reset oder gar großen Reset zu machen, dann sicherlich jetzt. Personal austauschen, Geschäftsmodell überdenken und die Schwachpunkte finden und beseitigen, die sich jetzt offenbaren.

Welche Rolle kann Digitalisierung spielen, um Antworten in der Krise zu finden? Können digitale HR-Lösungen einen Mehrwert bringen?

Digitalisierung ist die Lösung, denn ohne sie ist Home Office, virtuelle Führung, Remote Working oder wie auch immer die im Moment möglichen Arbeitsweisen benannt werden, nicht machbar. Wir können ohne Cloud oder Personalsoftware kaum arbeiten in der jetzigen Zeit. Da ist eine Lösung wie zum Beispiel staffboard eine “systemrelevante Notwendigkeit”, um im Corona-Jargon zu bleiben.

“Wir können, wenn wir wieder zum ersten Mal ins Office gehen, neue Routinen wahrscheinlich ohne Change Management und große Widerstände etablieren, da wir fast neu starten. Das ist doch eigentlich eine tolle Möglichkeit, die viel beschworene neue Arbeitswelt zu etablieren.”

Themenfeld: “Chancen, Gewinner und Ausblick”

Lass uns eine Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch neue Chancen mit sich bringt. Wie bewertest Du das in diesem Kontext? Welche Chancen siehst Du und warum? 

Wie bereits erwähnt, denke ich, dass wir die Möglichkeit haben ein kleines oder größeres Reset zu starten und das ist eine riesige Chance. Die Mitarbeiter sind aus ihren Routinen raus, sie müssen sich im Arbeitsalltag wieder neu anpassen und justieren. Auch die Führungskräfte haben gelernt und neue Erfahrungen gesammelt. Wir können, wenn wir wieder zum ersten Mal ins Office gehen, neue Routinen wahrscheinlich ohne Change Management und große Widerstände etablieren, da wir fast neu starten. Das ist doch eigentlich eine tolle Möglichkeit, die viel beschworene neue Arbeitswelt zu etablieren.

Auch wenn Du kein Hellseherin bist interessiert uns Deine Einschätzung: Welche Unternehmen bzw. Branchen werden aus Deiner Sicht am meisten profitieren, wenn die Krise wieder vorbei ist und so etwas wie “Normalität” einkehrt? Warum gerade die von Dir genannten?

Ich weiß es nicht. Derzeit ist die Lage so unüberschaubar und es gibt so viele Interdependenzen, an die ich nie gedacht hätte: Ärzte machen weniger Umsatz, da sie aufgrund des Abstandes zwischen den Patienten nicht so viele Patienten annehmen können. Hätte jemand von euch daran gedacht? Ich definitiv nicht…

Du möchtest unseren Lesern noch Deine persönliche Wahrnehmung der aktuellen Situation mitteilen. Was sind Deine Gedanken dazu? 

Für mich persönlich ist es eine spannende und coole Zeit! Mit meiner Firma sind wir derzeit wahnsinnig beschäftigt und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mich damit zu beschäftigen, was passiert und was kommt. Ich genieße aber auch die Zeit mit meiner Familie, die im wesentlichen aus 3 Jungs besteht. Irgendwo wachsen wir zusammen. Wird das bleiben? Prägt uns diese Zeit? Was passiert “danach”? Viele Fragen ohne Antwort. Es bleibt spannend.

Tereza Sommerfeld | allaboutHRLaw

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Über unseren heutige HR Expertin: 

Mein Name ist Tereza Sommerfeld und ich bin die Gründerin und Geschäftsführerin von allaboutHRLaw. Wir übernehmen seit über 10 Jahren die Personalarbeit für Start-ups und KMUs als externe Personalabteilung mit demselben Leistungsumfang und ähnlichen Kosten wie eine interne Personalabteilung, nur ohne Arbeitgeber-risiko und mit höherer Kompetenz, da wir bei schwierigen Themen auf das Wissen aller unserer Mitarbeiter zugreifen und mit Präsenz vor Ort. Derzeit bedienen wir über 40 Kunden deutschlandweit mit über 20 Mitarbeitern. Zu unseren Kunden zählen Start-ups wie Thermondo oder windeln.de, und reifere Unternehmen wie Palram oder Daramic. 
Unsere Kunden schätzen unsere Proaktivität, Lösungs- und Ergebnisorientierung und die positive Grundeinstellung.

Ich selbst bin Diplom-Kauffrau und Rechtsanwältin und alleinerziehende Mutter von 3 Jungs. Seit über 20 Jahren bin ich im Personalbereich tätig. Meine Passion ist mein Beruf und daher bin ich froh immer wieder vor neuen Herausforderungen zu stehen, wie dieser.

Tereza Sommerfelds Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund: 

  • Arbeitsrecht
  • HR Strategie
  • Leadership & Führung
  • Organisationsentwicklung
  • Unternehmenskultur & Werte
  • Aufbau und Skalierung von HR Prozessen und Organisationsstrukturen
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