Gespräch mit Stefan Oberender | Co-Founder und COO bei FL3XX GmbH – Experte für die Digitalisierung von Geschäftsprozessen in der Luftfahrtindustrie
[München – 22.08.2022]
Wege und Strategien in Zeiten von Krisen und Unsicherheit. Wir fragen – HR-Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen und Kontexten antworten.
Der thematische Rahmen der Sommer-Interviews 2022:
„Klimakatastrophe, Corona-Pandemie, Inflation, Krieg in Europa, Energiekrise – what‘s next? Strategie und (unternehmerisches) Handeln in unsicheren Zeiten“.
In diesen schnelllebigen, von starker Unsicherheit geprägten Zeiten ist die Informationsflut oft schwierig einzuordnen. Die reflektierten Perspektiven und Einschätzungen der Expert:innen sollen einen Beitrag dazu leisten, Zusammenhänge besser zu verstehen. Wo sind direkte Auswirkungen und substantielle Herausforderungen? Aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen? Gemeinsam wollen wir herausfinden, was wirklich wichtig ist in diesen gegenwärtigen Krisen – speziell für Organisationen und die Menschen, die sie gestalten.
Unser heutiges Experten-Gespräch ist mit Stefan Oberender, Gründer und COO von FL3XX.
“Startups sind gegenüber etablierten Unternehmen aufgrund ihrer DNA für neuartige Herausforderungen besser gewappnet.”
Was tun in Krisenzeiten bzw. von starker Unsicherheit geprägten Zeiten? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen
(#03) … heute mit: Stefan Oberender | FL3XX GmbH
Anmerkung:
Mit der im Folgenden verwendeten Terminologie „kleinere Unternehmen/Organisationen“ sind vorrangig Startups und KMUs, aber auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitenden gemeint.
Gleichwohl treffen viele der Aspekte aus der Umfrage auch auf deutlich größere Organisationen zu. Wir haben im Rahmen dieser Gesprächsreihe eine „mentale Grenze“ bei etwa 250 Beschäftigten gezogen, damit alle das gleiche verstehen, wenn wir von „kleineren Unternehmen“ sprechen. Denn aus unserer Perspektive bei staffboard sind Organisationen mit 500-1.000 Beschäftigten keinesfalls mehr klein… 😉
Bestandsaufnahme: „Raus aus der Krise, rein in die Krise?“
staffboard: Stefan, seit vielen Jahren bist Du als Unternehmer in einer spannenden und zuletzt auch schwierigen Industrie, der Luftfahrt, unterwegs. Lass uns doch die letzten rund 2,5 Jahre einmal Revue passieren: Diese waren geprägt durch eine Ansammlung diverser Krisen, die teils nacheinander, teils parallel stattfanden. Kaum hatte man eine neue, schwierige Situation antizipiert oder einigermaßen gelöst, so schien es, kam schon die nächste Herausforderung mit neuen Unsicherheiten für Entscheider. Ganz speziell auch in Eurer Branche.
Wie hast Du das bei Euch erlebt? Und wie bist Du bzw. seid Ihr damit umgegangen? Was waren die Herangehensweisen?
Stefan Oberender: Als Unternehmer, aber auch als Angestellter in einem Startup, hat man ja durchaus Übung darin, Krisen und Herausforderungen unterschiedlichster Art zu managen. Man ist es gewohnt, sich auf geänderte Rahmenbedingungen einzustellen und Lösungsansätze für neue Probleme zu erarbeiten. So hat unser Team sehr pragmatisch auf die neuen Herausforderungen reagiert. Wir hatten z.B. schon Corona-Tests im Büro, als diese in Europa noch kaum erhältlich waren – und wurden anfangs dafür von allen Seiten belächelt, etwa aus dem Freundeskreis oder von unseren Geschäftspartnern.
Ich würde sogar behaupten, dass Startups gegenüber etablierten Unternehmen aufgrund ihrer DNA für neuartige Herausforderungen besser gewappnet sind.
Sehr cool, wie Du beschreibst, dass Unternehmer mit diesen Herausforderungen vielleicht besser als andere umgehen und die Welt verändern können. Doch was meinst Du: Geht das jetzt einfach immer so weiter, also eine Krise und Herausforderung nach der nächsten? Ist das jetzt die vielfach zitierte “neue Normalität”? Oder ist es irgendwann auch mal gut?
Krisen gab es immer und wird es auch immer geben. Meine Generation ist in den 1980er und Anfang der 1990er Jahren mit Ozonloch und saurem Regen aufgewachsen. Davor gab es die nukleare Bedrohung des kalten Krieges. Man darf aber nicht vergessen, dass es der Gesellschaft – weltweit – noch nie so gut ging wie heute.
Anders als früher werden die Krisen jedoch anders vermarktet. Der Journalismus hat sich auch nach Jahrzehnten nicht von der Umstellung auf Online- und soziale Medien erholt. Es gibt ja fast kaum noch journalistische Berichterstattung, sondern nur noch „Meinung“. Vergleich doch einmal die Tagesschau von 1985 mit FoxNews von heute. Krisen sind Klicks. Klicks sind Kohle. Man darf sich davon nicht verrückt machen lassen. Schon gar nicht wie in meinem Fall als Unternehmer und Entscheider.
Ich halte es hier mit David Deutsch [Anm. d. Red.: israelisch-britischer Physiker auf dem Gebiet der Quanteninformationstheorie, Jahrgang 1953]: „Problems are inevitable. Problems are solvable.“
“Intern ist besondere Transparenz gefordert – gerade dann, wenn es Engpässe gibt. Wir diskutieren solche Themen mit unseren Mitarbeitern auf Augenhöhe. […] Das schließt auch die Finanzlage und andere strategische Themen mit ein.“
Themenfeld: “Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise”
Welche Herausforderungen siehst Du durch die aktuelle Situation auf (kleinere) Unternehmen zukommen, besonders im Kontext Deiner Erfahrungen und Expertise als Vollblut-Unternehmer?
Als Reaktion auf die omnipräsenten Krisen sehe ich einen wachsenden Aktionismus der Regierung. Meist gut gemeint werden die neuen Regulierungen und Gesetze leider sehr auf die großen Konzerne zugeschnitten, oder von diesen mitgestaltet. Man muss aufpassen, dass die kleineren Unternehmen hierbei nicht hinten runterfallen.
Wir als kleines Unternehmen mit rund 60 Beschäftigten weltweit haben jedenfalls keine Armeen von Anwälten oder Compliance-Managern, die sich um die zusätzliche Bürokratie kümmern können.
Ja, da sprichst Du wichtige Punkte sehr klar an… Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele dieser (kleineren) Unternehmen und damit potentiell existenzbedrohend? Oder findest Du das vielleicht alles etwas übertrieben?
Übertrieben nicht. Während kleine Unternehmen sicherlich agiler sind als die Etablierten, haben sie oft keine großen finanziellen Polster, um auch einmal eine kurze Flaute unbeschadet zu überstehen. Ich denke eine vorausschauende Finanzplanung wird damit zunehmend wichtig.
Intern ist besondere Transparenz gefordert – gerade dann, wenn es Engpässe gibt. Wir diskutieren solche Themen mit unseren Mitarbeitern auf Augenhöhe. Sie sind ja mit die wichtigsten Stakeholder und haben ein gutes Recht über die Situation der Firma informiert zu werden. Das schließt auch die Finanzlage und andere strategische Themen mit ein.
“HR ist nicht erst dann gefordert wenn eine Krise eintritt. Vielmehr muss HR schon weit vorher die Grundlagen und Strukturen schaffen, die es dann ermöglichen, eine Krise bestmöglich zu durchleben.“
Themenfeld: „Menschen, Führung und Rolle von HR“
Was macht diese Situation mit den Menschen?
Jeder Mensch reagiert unterschiedlich auf neue Herausforderungen. Bei FL3XX leben wir eine extrem transparente Kultur. Bis auf wenige Ausnahmen sind alle internen Infos allen zugänglich. Die Kommunikation läuft zu 90% über öffentliche Slack-Channels. Dies hat sich im Rahmen von Krisen auch wieder als großer Vorteil erwiesen.
Ein großes Problem von Krisen ist doch oft, dass man sich machtlos und ausgeliefert fühlt. Als Unternehmen können wir durch Transparenz zumindest die Ängste im beruflichen Bereich eindämmen. Zudem sehen die Betroffenen, dass sie mit ihren Sorgen nicht alleine sind, und bekommen durch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Kulturen auch andere Perspektiven auf die Probleme.
Erwartest Du Effekte für Führungskräfte und Mitarbeitende in (kleineren) Unternehmen? Was braucht es, um zielgerichtet damit umzugehen?
Die Unternehmensführung muss hierfür nur die Rahmenbedingungen schaffen. Sie sind ja ebenfalls Betroffene der Krisen und nicht außen vor – sie sind Teil dieser Unterhaltung.
Wie bewertest Du dabei die Rolle von HR (Human Resources / Human Relations / Personalwesen)?
Was kann – oder sogar: muss – HR tun, um hier bewusst gegenzusteuern und die Organisation „fit für die Zukunft“ zu machen?
HR ist nicht erst dann gefordert wenn eine Krise eintritt. Vielmehr muss HR schon weit vorher die Grundlagen und Strukturen schaffen, die es dann ermöglichen, eine Krise bestmöglich zu durchleben. Um es ganz plastisch und salopp auszudrücken: Du fährst ja auch nicht erst zum Baumarkt, um den Feuerlöscher zu kaufen, wenn die Hütte bereits brennt.
Für HR ist es gleichzeitig auch eine Chance aus dem Schattendasein herauszutreten, und proaktiv die Firmenkultur mitzugestalten. Weg von der Verwaltungsstelle hin zu einem gestalterischen „wie wollen wir eigentlich in dieser Firma zusammenarbeiten?“. Meine Mitgründer und ich arbeiten nach mehr als zehn Jahren immer noch lange Tage. Warum sollten wir das tun, wenn wir uns jedem Tag einem miefigen oder toxischen Betriebsklima ausgesetzt fühlen?
Was bedeutet das für den Bereich HR? Ergeben sich für HR womöglich auch spezielle Herausforderungen?
Wenn man im Freundeskreis das Wort „HR“ erwähnt, ist die häufigste Reaktion ein Abwinken. In vielen Fällen – gerade in größeren Unternehmen – ist HR eine rein reaktive Abteilung. Verträge, Urlaubsanträge, Steuern und so weiter. In kleineren Firmen gibt es anfangs oft lange Zeit gar keine HR-Abteilung. Das Führungsteam kümmert sich um diese Aufgaben und versucht, eine starke Unternehmenskultur zu schaffen. Ein Umfeld, das robust, effizient und angenehm ist. Zusammen mit den Mitarbeitenden. Eine solche Kultur ist die Basis dafür, auch Krisen gemeinsam zu meistern.
Kommen wir nun zum Thema Leadership: Welche Rolle spielt es in Eurer Organisation? Findest Du, dass sich das bei Euch in den letzten Jahren in irgendeiner Weise verändert hat?
Bedingt durch mehrere Wachstumsschübe haben wir die Unternehmensführung vor kurzem komplett neu organisiert. Mit jeder Phase des Unternehmens gibt es natürlich neue Herausforderungen. Das geschieht aber völlig unabhängig von Krisen.
Nach über zehn Jahren sind wir auch kein Startup im eigentlichen Sinne mehr. Wir versuchen aber, an den positiven Aspekten eines Startups festzuhalten wie schnellen Entscheidungen, flachen Hierarchien, keine Bürokratie, direktem Impact etc. Mit einem größeren Team braucht man dann etwas mehr Struktur, Prozesse, und – ja leider – auch Hierarchien. Gleichzeitig will man seine Agilität nicht aufgeben. Hier die Balance zu finden ist die große Kunst!
“Wie im normalen Geschäftsleben braucht es den unbedingten Glauben daran, Probleme lösen zu können. Jeder Entrepreneur, den ich kenne, trägt dieses Gen in sich. Auch viele Angestellte in Start-ups.“
Themenfeld: “Mindset, Kompetenzen und (Einfluss der) Digitalisierung”
Wie können (kleinere) Unternehmen/Organisationen weiterhin handlungsfähig bleiben?
Gibt es speziell aus Deiner Perspektive eventuell konkrete Handlungsanweisungen oder „Sofortmaßnahmen“?
Es gibt keinen magischen Zauberstab, den man im Fall der Krise herausholt. Man muss die Grundlagen lange vorher aussäen und regelmäßig gießen. Nur dann wächst eine starke, resistente Firmenkultur. Wer hier Nachholbedarf hat, sollte sich natürlich sofort darüber Gedanken machen. Die Resultate werden sich aber erst viel später zeigen.
Welches Mindset bzw. Einstellung und welche Kompetenzen benötigen (kleinere) Unternehmen, um gestärkt aus Krisensituationen hervorzugehen und erfolgreich unter Unsicherheit zu agieren? Wie zeigt sich das konkret?
Wie im normalen Geschäftsleben braucht es den unbedingten Glauben daran, Probleme lösen zu können. Jeder Entrepreneur, den ich kenne, trägt dieses Gen in sich. Auch viele Angestellte in Startups. Wenn das im Team gelebt wird, ist diese Einstellung im positiven Sinne ansteckend!
Welche Rolle kann Digitalisierung spielen, um Antworten in der Krise zu finden?
Wie im Privatleben auch verändert – und vereinfacht – die Digitalisierung die Kommunikation. So sind 7 der Top 10 Apps im AppStore nicht ohne Grund Kommunikations-Apps!
Kommunikation hilft, Krisen zu überwinden. Ohne moderne Tools könnten wir bei FL3XX bei weitem nicht so effektiv arbeiten. Wir decken weltweit alle Zeitzonen ab, und haben Mitarbeiter und Kunden auf allen Kontinenten. Das Airline-Business ist 24/7/365. Trotzdem schaffen wir es, für alle im Team ein Zugehörigkeitsgefühl zu erzeugen.
Dabei hilft natürlich auch eine digitale HR-Lösung wie staffboard – als Anlaufpunkt für alles rund ums Thema Personal!
“Ersetzt das Wort „Krise“ einfach durch den Begriff „Veränderung“! Leben ist Veränderung. Veränderung bringt immer auch neue Chancen mit sich!”
Themenfeld: “Chancen und Ausblick”
Lass uns eine bekannte Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch eine neue Chance mit sich bringt. Wie bewertest Du das in diesem Kontext? Ist das überhaupt möglich?
Ja natürlich! Zu 100%! Ich bin Berufsoptimist – was hilft es denn auch, den Kopf in den Sand zu stecken? Mehr als die Hälfte der Fortune 500-Unternehmen wurden aus der Krise heraus gegründet. Oftmals ist es sogar leichter, in der Krise zu gründen.
Ersetzt das Wort „Krise“ einfach durch den Begriff „Veränderung“! Leben ist Veränderung. Veränderung bringt immer auch neue Chancen mit sich!
Und werden womöglich bestimmte Organisationen oder Branchen profitieren, wenn bzw. falls diese Krisen irgendwann vorbei sind und wieder so etwas wie eine Art „Normalität“ einkehrt?
Aus meiner Wahrnehmung werden die Organisationen überleben, die eine gute Balance zwischen Wachstum und Flexibilität finden. Ein Sturm knickt vielleicht ein paar alte, morsche Bäume um. Den flexiblen Gewächsen dagegen kann er nicht viel anhaben – im Gegenteil, er macht sie eher stärker. Und dann kommt auch schon der nächste Sturm. That’s life!
Lieber Stefan, es war großartig, mit Dir zu sprechen. Gerade Deine positive Energie und Einstellung, als Unternehmer immer in der Lage zu sein, eine Antwort auf Krisen oder schwierige Situationen zu finden, begeistert und inspiriert uns. Und hoffentlich auch viele andere!
Informationen zum Gesprächspartner
Stefan Oberenders Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund:
- Entrepreneur im Bereich Digital, Technologie, Avaiation
- Leadership & Führung
- Unternehmenskultur & Werte
- Digitalisierung (von Unternehmensprozessen)
Über unseren heutigen HR Experten:
Ich heiße Stefan Oberender und bin Gründer und COO von FL3XX. In dieser Rolle liegt mir die innere Organisation, und die Themen, die oft als „HR“ generalisiert werden, am Herzen. Bei FL3XX haben wir es geschafft, ein starkes Bewusstsein für die Firmenkultur zu schaffen und orientieren uns dabei an Unternehmen wie Netflix („No Rules Rules“ von Reed Hastings & Erin Meyer; „Powerful“ von Patty McCord) oder Bridgewater („Principles“ von Ray Dalio).
Bei meinem Hintergrund als Luftfahrtingenieur und Pilot ist dieser Verantwortungsbereich erst einmal nicht naheliegend. Aber rückblickend auf die letzten zehn Jahre gibt es unter all den Dingen, die wir als Team erreicht haben, eine Sache, auf die ich vor allem anderen stolz bin: Das schlagkräftige Team, das wir über die Jahre aufgebaut haben, und die starke Firmenkultur, die es zusammenhält. Dinge wie „Diversity“ werden bei uns nicht diskutiert, sondern gelebt. Wir decken alle großen Kulturkreise weltweit ab, und ein großes Spektrum an Individualität. Beim Erreichen von gemeinsamen Zielen spielt das jedoch erfrischenderweise nicht die geringste Rolle!
Über FL3XX:
FL3XX ist die führende webbasierte Management-Plattform in der Luftfahrt und deckt den Bereich der Charter-, Privat-, MedEvac- und Frachtflüge ab. Die intuitiv bedienbare Software gibt Teams in den Bereichen Vertrieb, Dispatch, Flight- und Ground Operations, Wartung und Management alle notwendigen Werkzeuge an die Hand, um ihren Arbeitsalltag effektiv zu gestalten.
200 Airlines weltweit vertrauen bereits auf die innovative Plattform und können mehr als 100 direkt in die Plattform integrierte Dienste nutzen, um jeden Monat Tausende von Arbeitsstunden einzusparen.
FL3XX hat seinen Hauptsitz in Wien, und ist in Europa, Nordamerika und im Nahen Osten lokal vertreten.