Gespräch mit Dr. Thomas Mack | Head of Scouting & Advisory bei German Accelerator – Experte für Aufbau und Skalierung innovativer Startups und Geschäftsmodelle

Wege und Strategien in Zeiten von Krisen und Unsicherheit - staffboard Experten-Interviews

[München – 31.08.2022]

Wege und Strategien in Zeiten von Krisen und Unsicherheit. Wir fragen – HR-Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen und Kontexten antworten.

Der thematische Rahmen der Sommer-Interviews 2022:
„Klimakatastrophe, Corona-Pandemie, Inflation, Krieg in Europa, Energiekrise – what‘s next? Strategie und (unternehmerisches) Handeln in unsicheren Zeiten“.

In diesen schnelllebigen, von starker Unsicherheit geprägten Zeiten ist die Informationsflut oft schwierig einzuordnen. Die reflektierten Perspektiven und Einschätzungen der Expert:innen sollen einen Beitrag dazu leisten, Zusammenhänge besser zu verstehen. Wo sind direkte Auswirkungen und substantielle Herausforderungen? Aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen? Gemeinsam wollen wir herausfinden, was wirklich wichtig ist in diesen gegenwärtigen Krisen – speziell für Organisationen und die Menschen, die sie gestalten.

Unser heutiges Experten-Gespräch ist mit Dr. Thomas Mack, Head of Scouting & Advisory beim German Accelerator. Er bezeichnet sich selbst “Disruption Enthusiast” und ist Experte für Aufbau und Skalierung innovativer Startups und Geschäftsmodelle, (Corporate) Entrepeneurship und (Corporate) Innovation. 

“Die letzten Jahre waren für Startups wirklich nicht einfach […] und haben sich wie eine endlose Folge von Schocks für viele Gründer angefühlt.”

Was tun in Krisenzeiten bzw. von starker Unsicherheit geprägten Zeiten? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen
(#07) … heute mit: Dr. Thomas Mack | German Accelerator


Anmerkung d. Red.: 
Mit der im Folgenden verwendeten Terminologie „kleinere Unternehmen/Organisationen“ sind vorrangig Startups und KMUs, aber auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitenden gemeint.
Gleichwohl treffen viele der Aspekte aus der Umfrage auch auf deutlich größere Organisationen zu. Wir haben im Rahmen dieser Gesprächsreihe eine „mentale Grenze“ bei etwa 250 Beschäftigten gezogen, damit alle das gleiche verstehen, wenn wir von „kleineren Unternehmen“ sprechen. Denn aus unserer Perspektive bei staffboard sind Organisationen mit 500-1.000 Beschäftigten keinesfalls mehr klein… 😉


Bestandsaufnahme: „Raus aus der Krise, rein in die Krise?“

staffboard: Thomas, als ehemaliger Gründer im Digitalbereich, als Strategieberater im Bereich (Corporate) Innovation und (Corporate) Entrepreneurship – und last but not least – als Startup-Scout hast Du einen sehr umfassenden Blick auf die deutsche und auch internationale Startup-Szene. Lass uns doch die letzten rund 2,5 Jahre einmal Revue passieren: Diese waren geprägt durch eine Ansammlung diverser Krisen, die teils nacheinander, teils parallel stattfanden. Kaum hatte man eine neue, schwierige Situation antizipiert oder einigermaßen gelöst, so schien es, kam schon die nächste Herausforderung mit neuen Unsicherheiten für Entscheider. 
Wie hast Du das wahrgenommen und bei Euch bzw. bei den von Dir beratenen Organisationen erlebt? 

Dr. Thomas Mack: Die letzten Jahre waren für Startups wirklich nicht einfach. Sie sind in besonderem Maße von gesamtwirtschaftlichen Schwankungen betroffen, weil ihnen die stabile Basis fehlt, auf die viele etablierte Unternehmen bauen können. Neukundengewinnung und die Akquisition externer Finanzierung sind gerade in Phasen der Unsicherheit über die Zukunft um ein Mehrfaches schwieriger. Die letzten zweieinhalb Jahre haben sich so wie eine endlose Folge von Schocks für viele Gründer angefühlt.

Es war aber bestimmt nicht alles schlecht. Ganz im Gegenteil: In Krisenzeiten können Startups ihre Wettbewerbsvorteile der Agilität und Anpassungsfähigkeit besonders gut nutzen und so oft schneller auf veränderte Marktgegebenheiten reagieren als ihre großen Wettbewerber. Zudem haben großzügige Förderungen der öffentlichen Hand sowie die zwischenzeitliche Rallye um Technologieinvestments zu einer Euphorie geführt, die manchmal an den Dotcom-Boom erinnerte.

Sicherlich hatten es alle gleichermaßen schwer – auch wenn der Umgang mit den einzelnen Herausforderungen vielleicht unterschiedlich war. Aber was denkst Du: Ist das jetzt die vielfach zitierte “neue Normalität”, also eine Krise und Herausforderung nach der nächsten? Oder ist es irgendwann auch mal gut?

Tatsächlich sehe ich der Zukunft trotz aller teils riesigen Herausforderungen sehr positiv entgegen. Klar, es wird weiterhin große „Aufs und Abs“ geben. In den rosigen Zeiten kann man sich nur schwer Krisenszenarien vorstellen. Deshalb wird man von ihnen überrascht. Andererseits ist der Mensch unglaublich anpassungsfähig und damit in der Lage, stärker und weiterentwickelt aus Krisen herauszukommen. So absurd es klingen mag, eine Normalität der Konstanz wäre für mich nicht erstrebenswert.

Solch extreme Schwankungen wirken wie eine Art Verstärker: Die Überlebenschancen von Startups sind ohnehin schon gering. In solchen Phasen werden sie minimal. Nur diejenigen haben eine Chance, die tatsächliche Kundenbedürfnisse lösen und deren Gründer langfristig und vorrausschauend agieren.”

Themenfeld: "Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise"

Siehst Du – besonders im Kontext Deiner Nähe zu den Startups und der umfassenden Expertise – durch die aktuelle Situation besondere Herausforderungen auf (kleinere) Unternehmen zukommen? 

Wie eingangs angedeutet ergeben sich die größten Herausforderungen aus Unsicherheit und (gefühlter) Unplanbarkeit. Kleine Unternehmen leiden in besonderem Maße darunter, weil sie weniger diversifiziert sind und – im Fall von Startups – auf kein lange gewachsenes Fundament und Rücklagen aufbauen können.

Allerdings kann genau das auch eine Chance sein. Denn gerade Flexibilität, Kundenorientierung und unternehmerisches Risiko werden in solchen Phasen besonders belohnt. Zahlreiche Studien belegen, dass diejenigen als Gewinner aus der Krise gehen, die proaktiv agieren und Investments wagen. Passivität ist die schlechteste Strategie. Aber das ist eben auch viel einfacher gesagt als getan, wenn man in eine Zukunft voller Unsicherheit blickt. Hier liegt für mich die zentrale Herausforderung.

Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele dieser (kleineren) Unternehmen und damit potentiell existenzbedrohend? Oder findest Du das vielleicht alles etwas übertrieben?

Spannend finde ich, dass solch extreme Schwankungen wie eine Art Verstärker wirken. Die Überlebenschancen von Startups sind ohnehin schon gering. In solchen Phasen werden sie minimal. Nur diejenigen haben eine Chance, die tatsächliche Kundenbedürfnisse lösen und deren Gründer langfristig und vorausschauend agieren. Abgesehen von ein paar Zufallsgewinnern natürlich – diese gibt es in solchen Phasen natürlich auch.

“HR ist für mich ein zentraler Erfolgsfaktor. Wie wir es häufig eindrucksvoll im Mannschaftssport sehen, können auch Organisationen Krisen nur als Team bewältigen. Dazu braucht es die richtige Teamzusammensetzung, Führungsstrukturen und Kommunikation.”

Themenfeld: „Menschen, Führung und Rolle von HR“

Wie bewertest Du im Startup-Kontext die Rolle von HR (Human Resources / Human Relations / Personalwesen)? Ergeben sich womöglich auch spezielle Herausforderungen für diesen Bereich?

HR ist für mich einer der zentralen Erfolgsfaktoren. Wie wir es häufig eindrucksvoll im Mannschaftssport sehen, können auch Organisationen Krisen nur als Team bewältigen. Dazu braucht es die richtige Teamzusammensetzung, Führungsstrukturen und Kommunikation.

Startups haben es hierbei besonders schwer. Sie agieren oft in verstreuten Teams, die erst seit Kurzem zusammenarbeiten. Das Teamgefüge ist noch nicht stabil und das Zugehörigkeitsgefühl schnell beeinflussbar. Dazu kommen noch meist eher jüngere Mitarbeiter, die teilweise das erste Mal eine wirtschaftliche Krisenzeit miterleben. Womöglich gilt dasselbe sogar für die Gründer und Führungskräfte.

Die Befähigung zur Führung und das Sicherstellen eines nachhaltig funktionierenden Teamgefüges sind umso mehr Voraussetzungen für das erfolgreiche Meistern von Krisensituationen – egal, wie gut ein Produkt oder die Unternehmensstrategie auch sein mögen.

Das klingt in der Tat nach einer ziemlich herausfordernden Aufgabe. Hast Du vielleicht konkrete Handlungsempfehlungen für Entscheider und HR Gestalter?
Was ist dabei aus Deiner Sicht wirklich wichtig?

Absolut. Meine Handlungsempfehlung lautet deshalb: Diese „grundlegenden HR-Themen“ dürfen auf keinen Fall in den „Alltagsthemen“ dieser hektischen Zeiten untergehen. Ganz im Gegenteil, Entscheider müssen sicherstellen, dass sie zu einer Top-Priorität der gesamten Organisation werden. Und das fängt bekanntlich beim eigenen Verhalten an…

Was bedeutet all das für den Bereich HR im Startup-Umfeld? Haben Startups etwa ganz spezielle HR-Herausforderungen, die deutlich anders geartet sind, als in anderen Organisationen?

Eine interessante Entwicklung sehe ich im Bereich Outsourcing. HR ist typischerweise eine Funktion, die bei Early-Stage Startups quasi nebenbei meist von einem der Gründer betreut wird. Im nächsten Schritt wird eine „Head of“ Stelle geschaffen – eigentlich, um HR-Themen strategisch und strukturiert anzugehen. Zu diesem Zeitpunkt sind die operativen Aufgaben dann jedoch meist so stark angewachsen, dass zu wenig Zeit für konzeptionelle Arbeit bleibt. Und so geht es dann weiter: Der Abteilungsaufbau läuft der systematischen Arbeitsüberlastung durch das Unternehmenswachstum hinterher. Auch, weil es für Startups natürlich nicht immer einfach ist, wettbewerbsfähige Gehälter für HR Professionals zu bieten.

Tatsächlich trifft das, was Du beschreibst, auch aus unserer Erfahrung die Situation sehr gut. Aber wie kann man diesen in gewisser Weise strukturellen Problemen zielgerichtet begegnen?  

Ich sehe vereinzelt, dass ambitionierte Startups temporär Full-Service-Agenturen aus dem Startup-Umfeld engagieren, um den Rückstand aufzuholen und HR proaktiv gestalten zu können. Damit sind wir aber auch wieder beim Thema „Investments in Krisenzeiten“ – mal sehen, ob sich der Trend in Krisenzeiten hält….

Was macht diese Situation mit den Menschen? Welche Rolle spielt etwa das Thema Leadership in den Organisationen, die Du begleitest und hat es sich in den letzten Jahren verändert? 

Man kann seit einiger Zeit Veränderungen in der Motivation und den Bedürfnissen der Beschäftigten beobachten. Das individuelle Selbstverständnis aber auch die Erwartungen an andere, insbesondere gegenüber Führungskräften hat sich entwickelt. Verstärker hierfür waren sicher die besonderen Umstände der Covid-Lockdowns, der grundlegende Treiber ist aber eine neue Generation an Mitarbeitenden, die in Zeiten des digitalen Technologiebooms und der Globalisierung aufgewachsen sind – inklusive aller Vorteile wie auch Probleme, die damit entstanden sind. Sie fordern mit Recht ein „neues“ Führungsverständnis ein, das auf Partizipation, Werten und Kommunikation basiert.

Ich hatte ja schon beschrieben, welche besonderen Herausforderungen sich aus der Kombination verteilter, neuer Teams und junger Teamkollegen ergeben. Führung und Kommunikation sind somit nicht nur die Werkzeuge, mit denen man das Problem lösen kann – mit ihnen kann aus der Herausforderung sogar ein Wettbewerbsvorteil werden!

“In solchen Phasen werden Flexibilität, Kundenorientierung und unternehmerisches Risiko besonders belohnt. Zahlreiche Studien belegen, dass diejenigen als Gewinner aus der Krise gehen, die proaktiv agieren und Investments wagen. Passivität ist die schlechteste Strategie.

Themenfeld: "Mindset, Kompetenzen und (Einfluss der) Digitalisierung"

Wie können (kleinere) Unternehmen und speziell Startups weiterhin handlungsfähig bleiben? Und welches Mindset bzw. Einstellung und welche Kompetenzen benötigen sie, um gestärkt aus Krisensituationen hervorzugehen und erfolgreich unter Unsicherheit zu agieren? 

Wenn ich meine bisherigen Aussagen reflektiere, klingt es wahrscheinlich als bräuchte man die sprichwörtliche „eierlegende Wollmilchsau“. Im Grunde kommen viele Aspekte aber auf recht einfache Leitlinien zurück:

  1. Zunächst einmal braucht es eine positive Grundeinstellung, die einerseits Risikofreude und Investitionen erlaubt, sowie andererseits ein Wir-Gefühl erzeugen kann. 
  2. Ganz besonders wichtig ist aber auch eine vorausschauende strategische Planung, die Ressourcen schont und Flexibilität schafft, um auf neue Kundenbedürfnisse reagieren zu können. 
  3. Und schließlich das Verständnis beziehungsweise die Überzeugung, dass sich gerade in Krisenzeiten Investitionen in die eigene Organisation noch viel stärker auszahlen werden als in den „einfachen Zeiten“.

“Diejenigen Organisationen, die in der Lage sind, Kunden- bezieungsweise Marktbedürfnisse systematisch zu verstehen, können auch deren Weiterentwicklung antizipieren und nachhaltig erfolgreiche Lösungen schaffen.”

Themenfeld: "Chancen und Ausblick"

Lass uns eine bekannte Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch eine neue Chance mit sich bringt. Wie bewertest Du das in diesem Kontext? Ist das überhaupt möglich? 

Chancen gibt es auf jeden Fall. Und viele Startups glauben zurecht daran: Etwa, weil sie darauf vertrauen, für veränderte Marktbedingungen und neue Fragestellungen die besser passenden Antworten zu haben. Und weil sie aufgrund ihrer organisatorischen Beschaffenheit und vielleicht auch aufgrund Ihrer besonderen Teamzusammensetzung besser und schneller darauf reagieren können. Eben weil sie in der Lage sind, bestimmte Fähigkeiten wie Flexibilität, Kundenorientierung und unternehmerisches Risiko als Wettbewerbsvorteile zu entwickeln.

Werden bestimmte Organisationen oder Branchen profitieren, wenn bzw. falls diese Krisen irgendwann vorbei sind?

Krisen sind ja quasi die Wegweiser für die neue „Normalität“. Die heute benötigte Schonung von Ressourcen, insbesondere Energie, das Sicherstellen funktionierender, weil flexibler Lieferketten oder die Digitalisierung analoger Prozesse sind ja keine temporären Phänomene. Die vergangenen und gegenwärtigen Krisen haben „lediglich“ das Brennglas auf die dahinterliegenden Herausforderungen und Potenziale gelegt. Dieser verstärkende Effekt setzt sich dann auch beim Erfolg oder Misserfolg von Unternehmen fort. Diejenigen, die in der Lage sind, Kunden- beziehungsweise Marktbedürfnisse systematisch zu verstehen, können auch deren Weiterentwicklung antizipieren und nachhaltig erfolgreiche Lösungen schaffen.

Thomas, schönen Dank für die detaillierte Einblicke in die besonderen Herausforderungen bei Startups gegeben hast. Wir nehmen mit: Viele Startups wissen geradezu, dass sie eigentlich keine Chance auf  Erfolg haben – und gleichzeitig nutzen sie in unsicheren Zeiten ihre Agilität und Anpassungsfähigkeit als Wettbewerbsvorteil, um schneller als andere auf veränderte Marktgegebenheiten zu reagieren…

Informationen zum Gesprächspartner

Experte Dr. Thomas Mack | German Accelerator

Dr. Thomas Macks Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund: 

  • Unternehmensstrategie
  • Serial (Digital/Tech) Entrepreneur
  • Aufbau & Skalierung innovativer Geschäftsmodelle / Startups
  • (Corporate) Entrepreneurship
  • Innovation Management & (Corporate) Innovation

Über unseren heutigen HR Experten: 

Ich heiße Thomas Mack. Meine Passion sind die Entwicklung und Skalierung von innovativen Geschäftsmodellen. Dabei begeistert mich jeden Tag aufs Neue, dass mit „Entrepreneurial Ownership“ und dem „richtigen Team“ quasi nichts unmöglich ist. Ich konnte das aus den verschiedensten Perspektiven miterleben, z.B. als Startup Gründer, als selbständiger Consultant für innovative Mittelständler und Großunternehmen oder während ich einen Company Builder und Inkubator für eine Strategieberatung aufgebaut habe. Heute habe ich das große Glück, als Head of Scouting & Advisory des German Accelerator, die innovativsten deutschen Startups bei der internationale Skalierung begleiten zu dürfen.

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