Gespräch mit Stefan Scheller | Herausgeber von PERSOBLOGGER.DE – Top HR-Influencer und Experte für HR Strategie, Digital HR, New Work, Leadership & Führung, Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting

Gespräch mit Stefan Scheller | Herausgeber von PERSOBLOGGER.DE – Top HR-Influencer und Experte für HR Strategie, Digital HR, New Work, Leadership & Führung, Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting
Wege und Strategien in Zeiten von Krisen und Unsicherheit - staffboard Experten-Interviews

[München – 09.09.2022]

Wege und Strategien in Zeiten von Krisen und Unsicherheit. Wir fragen – HR-Expert:innen aus unterschiedlichen Disziplinen und Kontexten antworten.

Der thematische Rahmen der Sommer-Interviews 2022:
„Klimakatastrophe, Corona-Pandemie, Inflation, Krieg in Europa, Energiekrise – what‘s next? Strategie und (unternehmerisches) Handeln in unsicheren Zeiten“.

In diesen schnelllebigen, von starker Unsicherheit geprägten Zeiten ist die Informationsflut oft schwierig einzuordnen. Die reflektierten Perspektiven und Einschätzungen der Expert:innen sollen einen Beitrag dazu leisten, Zusammenhänge besser zu verstehen. Wo sind direkte Auswirkungen und substantielle Herausforderungen? Aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen? Gemeinsam wollen wir herausfinden, was wirklich wichtig ist in diesen gegenwärtigen Krisen – speziell für Organisationen und die Menschen, die sie gestalten.

Unser heutiges Experten-Gespräch ist mit dem Persoblogger Stefan Scheller, Gründer und Herausgeber des gleichnamigen HR-Praxisportals PERSOBLOGGER.DE und des Podcasts “Klartext HR”. Er ist Experte für Unternehmens- und HR Strategie, Digital HR, New Work, Leadership und Lernen sowie Themen rund um Employer Branding, Personalmarketing und Recruiting. Daneben ist er verantwortlich für die Arbeitgeberkommunikation der DATEV eG in Nürnberg.

“Die Unternehmen, denen ich in meiner Rolle als Persoblogger begegne, kämpfen auf mehreren Ebenen. Da sind strategische Herausforderungen wie Technologie-Wechsel, schwindende Mitarbeiterbindung, ein leergefegter Arbeitsmarkt und häufig sogar Wissensdefizite
im HR-Geschäft, weil sich die Entwicklungen teilweise exorbitant beschleunigt haben.”

Was tun in Krisenzeiten bzw. von starker Unsicherheit geprägten Zeiten? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen
(#11) … heute mit: Stefan Scheller | PERSOBLOGGER.DE und Klartext HR


Anmerkung d. Red.: 
Mit der im Folgenden verwendeten Terminologie „kleinere Unternehmen/Organisationen“ sind vorrangig Startups und KMUs, aber auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitenden gemeint.
Gleichwohl treffen viele der Aspekte aus der Umfrage auch auf deutlich größere Organisationen zu. Wir haben im Rahmen dieser Gesprächsreihe eine „mentale Grenze“ bei etwa 250 Beschäftigten gezogen, damit alle das gleiche verstehen, wenn wir von „kleineren Unternehmen“ sprechen. Denn aus unserer Perspektive bei staffboard sind Organisationen mit 500-1.000 Beschäftigten keinesfalls mehr klein… 😉


Bestandsaufnahme: „Raus aus der Krise, rein in die Krise?“

staffboard: Stefan, Du bezeichnest Dich selbst als “bunter Hund im HR”. Wir stimmen zu, denn Du bist im HR Bereich am Puls der Zeit und hast viel zu sagen: So bist Du Gründer und Betreiber des HR-Praxisportals PERSOBLOGGER.DE und des Podcasts Klartext HR. Unter anderem dafür wurdest Du in der Ausgabe 05/22 des Personalmagazins als „Top HR-Influencer“ ausgezeichnet. Daneben bist Du bei der DATEV eG für die Arbeitgeberkommunikation verantwortlich. 

Lass uns doch die letzten rund 2,5 Jahre einmal Revue passieren: Diese waren geprägt durch eine Ansammlung diverser Krisen, die teils nacheinander, teils parallel stattfanden. Kaum hatte man eine neue, schwierige Situation antizipiert oder einigermaßen gelöst, so schien es, kam schon die nächste Herausforderung mit neuen Unsicherheiten für Entscheider. 
Wie hast Du das wahrgenommen und bei Euch bzw. bei den von Dir beratenen Organisationen erlebt? 

Stefan Scheller: Tatsächlich war ich beim vielzitierten Konzept der VUCA-Welt immer eher skeptisch, da ich eine Veränderung der Welt permanent erlebt hatte. Aber durch die sich immer stärker überlappenden Krisen – die wir schon bald nicht mehr auseinanderhalten können, weil sie sich gegenseitig beeinflussen und verstärken – bin ich überzeugt, dass Veränderungsfähigkeit eine der herausragenden Eigenschaften von Organisationen sein muss, um die Herausforderungen der Gegenwart in Richtung zu Zukunft zu bewältigen.

Die Unternehmen, denen ich in meiner Rolle als Persoblogger begegne, kämpfen durchaus auf mehreren Ebenen. Da sind strategische Herausforderungen wie Technologie-Wechsel, schwindende Mitarbeiterbindung, ein leergefegter Arbeitsmarkt und häufig sogar Wissensdefizite im HR-Geschäft, weil sich die Entwicklungen teilweise exorbitant beschleunigt haben.

Eine der Haupt-Voraussetzungen, um gut durch die Krise zu kommen, ist meines Erachtens konsequenter Veränderungsoptimismus. Auch hilft es, nicht ständig zu versuchen, die radikalen Veränderungen zu negieren oder zu bekämpfen, sondern sich abzufinden, dass immer mehr Bereiche eine Art „Kontrollverlust“ erleben und die (Arbeits)welt zunehmend komplexer wird. Mit dieser Einstellung vergeuden wir nicht wertvolle Energie in einer Art „Abwehrkampf“ und können uns auf neue Ideen und Lösungen konzentrieren. Aber – und das muss ich zugeben – die Notwendigkeit des ständig neuen Lernens ist durchaus anspruchsvoll!

Okay, spannende These, denn andere würden entgegnen, dass dieses Konzept der VUCA-Welt zurecht ein gängiges Denkmodell ist… Aber was meinst Du: Geht das jetzt einfach immer so weiter? Ist das diese vielfach zitierte “neue Normalität”, also eine Krise und Herausforderung nach der nächsten? Oder ist es irgendwann auch mal gut?

Die Frage ist, was „immer“ bedeutet. Dass die Veränderungen grundsätzlich nicht aufhören, dessen können wir uns sicher sein. Aber ich glaube dennoch, dass es nicht fortlaufend eine ständige Beschleunigung geben wird. Das würden unsere Welt, Gesellschaft, Wirtschaft und wir Menschen schon bald nicht mehr aushalten. Es wird auch wieder Phasen geben, in denen deutlich weniger Radikales passiert als in den letzten zwei bis drei Jahren.

“Es ist erfolgskritisch, das Augenmerk auch nach innen zu richten und, als mögliche Alternative zur Neueinstellung, Talente dort weiterzuentwickeln oder auch in Mitarbeitergesundhaltung und Mitarbeiterzufriedenheit zu investieren.

Themenfeld: “Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise”

Welche Herausforderungen siehst Du durch die aktuelle Situation speziell auf (kleinere) Unternehmen und Organisationen zukommen? 

Es gibt einige durchaus gegenläufige Entwicklungen: Einerseits boomt beziehungsweise boomte die Wirtschaft in Deutschland enorm, die Auftragsbücher waren voll. Andererseits bremste der Mangel an Arbeitskräften die Entwicklungen doch deutlich ab. Jetzt, nachdem sich eine Krise an die nächste anschließt, dürfte es zu vermehrten Insolvenzen und zu einem Anstieg der Freisetzungen von Mitarbeitenden kommen. Gleichzeitig haben wir einen Flüchtlingsstrom und mehr Zuwanderung. Die Frage stellt sich, ob – und wenn ja, wie – diese Effekte aufeinander einwirken. Möglicherweise ergibt sich beim Fachkräftemangel kurzfristig etwas Entlastung, verknüpft mit einer Konsolidierung am Unternehmensmarkt.

Die deutlich größere Herausforderung dürfte sein, die gesamte Volkswirtschaft, Gesellschaft und deren Menschen gut durch die Vielzahl an Krisen zu bringen. Dabei spielen die Unternehmen mit ihrem auch durch HR geprägten Verhalten eine nicht unbedeutende Rolle. Denn wir verbringen einen Großteil des Tages im Umfeld unseres Arbeitgebers. Damit wird auch ein Großteil unseres Selbstwertgefühls, unseres Wirksamkeitsempfindens und unserer allgemeinen Zufriedenheit aus dieser Quelle gespeist. Wenn Unternehmen hier die passenden Rahmenbedingungen setzen, fällt auch der Umgang mit den Krisen deutlich leichter.

Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele dieser (kleineren) Unternehmen und Organisationen und damit potentiell existenzbedrohend? Oder findest Du das vielleicht alles etwas übertrieben und “halb so wild”?

Übertrieben finde ich die Aussagen, dass knapp 40% der Beschäftigten innerhalb der kommenden 12 Monate kündigen und den Arbeitgeber wechseln werden, wie sie durch die Medien geistern. Das wäre ja fast schon ein hälftiger Austausch der Belegschaften im Durchschnitt (!). Dass hier durch alle Branchen hindurch so viel Mut herrscht, in massiven Krisenzeiten den Job zu wechseln, kann ich mir nicht vorstellen.

Allerdings ist es schon erfolgskritisch, das Augenmerk auch nach innen zu richten und, als mögliche Alternative zur Neueinstellung, Talente dort weiterzuentwickeln oder auch in Mitarbeitergesundhaltung und Mitarbeiterzufriedenheit zu investieren.

“Bei Leadership geht es um um Vorleben, Inspirieren, Befähigen, also weit mehr als um eher klassisches Vorgesetztenverhalten. 

Das müssen die betroffenen Menschen in einer Organisation aber erst einmal so hinbekommen. Da ist Ver-Lernen und Neu-Denken angesagt, was uns Menschen tendenziell ja eher schwerfällt.”

Themenfeld: „Menschen, Führung und Rolle von HR“

Kommen wir nun zum Thema Leadership: Welche Rolle spielt es in Eurer Organisation?
Findest Du, dass sich das bei Euch in den letzten Jahren bzw. in der letzten Zeit verändert hat?

Ja, hier gab es deutliche Veränderungen. Unter anderem eine Trennung der Rolle von fachlicher Verantwortung und personeller Verantwortung. Während früher vor allem die Leistungsträger:innen oder diejenigen mit der größten Expertise, teilweise auch mit der längeren Betriebszugehörigkeit „befördert“ wurden, ermöglicht eine Trennung eine Rollenfokussierung. Wer gut führen kann, sollte führen. Wer herausragende fachliche Expertise hat, sollte auch auf dieser Ebene Karriere machen können.

Leadership leben kann ich in beiden Rollen. Es geht um Vorleben, Inspirieren, Befähigen, also weit mehr als um eher klassisches Vorgesetztenverhalten. Das müssen die betroffenen Menschen in einer Organisation aber erst einmal so hinbekommen. Da ist Ver-Lernen und Neu-Denken angesagt, was uns Menschen tendenziell ja eher schwerfällt.

“Ohne die Corona-Lockdowns würden wir noch immer Tag für Tag ins Office fahren, nur um uns gemeinsam Powerpoint-Folien anzusehen …”

Themenfeld: “Chancen und Ausblick”

Lass uns eine bekannte Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch eine neue Chance mit sich bringt. Wie bewertest Du das in diesem Kontext? Ist das überhaupt möglich? 

Oh, dazu habe ich ganz viele Gedanken. Beginnend mit der Corona-Krise, deren Auswirkungen auf die Menschen in erster Linie massiv negativ war, lässt sich festhalten, dass auf anderer Ebene auch Chancen entstanden sind.

Schauen wir zum Beispiel auf den enormen Schub, den mobile Arbeitsformen und digitalisiertes Arbeiten erhalten haben. Ohne die Corona-Lockdowns würden wir noch immer Tag für Tag ins Office fahren, nur um uns gemeinsam Powerpoint-Folien anzusehen.

Auch die Energiekrise führt dazu, einen deutlich klareren Blick zu erhalten, wie wertvoll Ressourcen sind und dass wir diese wertschätzen sollten, was einen verantwortungsvollen und nachhaltigen Umgang damit einschließt.

Insofern plädiere ich im Rahmen des jeweils Möglichen für eine Art „Veränderungsoptimismus“.

Hervorragend, lieber Stefan, danke für Deinen Appell zum Ende. “Veränderungsoptimismus” ist eine gute Bezeichnung für eine wichtige Einstellung – auch wenn dies nicht allen leicht fallen wird. Aber Veränderungen hören aus Deiner Perspektive nicht grundsätzlich auf. Deshalb bleibt zu hoffen, dass Führungskräfte künftig noch stärker durch Vorleben, Inspirieren, Befähigen für alle einen besseren Umgang mit Krisen und Herausforderungen ermöglichen.

Informationen zum Gesprächspartner

Experte Stefan Scheller | PERSOBLOGGER.DE

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Stefan Schellers Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund: 

  • Unternehmensstrategie
  • HR Strategie
  • Digital HR
  • Leadership & Führung
  • New Work / Zukunft der Arbeitswelt
  • Employer Branding und Personalmarketing
  • Recruiting

Über unseren heutigen HR Experten: 

Stefan Scheller, auch bekannt als „der Persoblogger“, ist Top HR-Influencer und Gründer von PERSOBLOGGER.DE, einer der bekanntesten deutschsprachigen HR-Websites. Auf der Plattform sind aktuelle Fachinformationen und Artikel, Studien und Infografiken zum Download, ein Eventkalender sowie eine Jobbörse kosten- und anmeldefrei zugänglich. Neben Übersichten rund um die HR-Szene (Blogs, Podcasts und Fachliteratur) werden relevante HR-Dienstleister im Anbieterverzeichnis sowie spannende Startups präsentiert.

Sein Podcast Klartext HR ergänzt die vielfältigen Inhalte um ein 15-minütiges Audioformat rund um New Work, Leadership, Digital HR und Lernen.

In seinem Hauptberuf ist Stefan Scheller verantwortlich für die Arbeitgeberkommunikation der DATEV eG in Nürnberg und berät intern zu Employer Branding, Personalmarketing, Recruiting, New Work und Digital HR.

Als mehrfacher Buchautor und Speaker begeistert er sein Publikum auf zahlreichen Konferenzen, HR-Messen sowie bei unternehmensintern gebuchten Vorträgen.

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