Wege und Strategien aus der Krise – Experten-Interview mit Alexandra Edl | Alexandra Edl Coaching

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[München – 08.04.2020] Wir fragen – HR-Experten mit diversen fachlichen Hintergründen antworten. Diese reflektierten Perspektiven und Einschätzungen sollen ein Stück weit dabei helfen, die aktuell für viele unübersichtliche Situation im Zuge der Corona-Krise und die damit verbundene Informationsflut etwas besser zu sortieren: Was sind direkte Auswirkungen, substantielle Herausforderungen, aber auch welche Strategien braucht es und wo ergeben sich Chancen. Es gilt, für uns alle besser zu verstehen, was nun wirklich wichtig ist – speziell für Startups und KMU, aber auch für andere Organisationen. 

Für die Führungskräfte in den Unternehmen bedeutet diese Krisensituation stärker denn je Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu übernehmen, sich proaktiv zu kümmern und zu kommunizieren. Sie halten ihre Teams durch regelmäßige Videokonferenzen zusammen und sind hoffentlich auch der “Cheerleader”, der die Stimmung hoch hält.

Was tun in der Corona-Krise? Wir fragen HR Experten zu den Herausforderungen, Strategien und Chancen 
(13) … heute mit: Alexandra Edl von Alexandra Edl Coaching

Anmerkung: Mit der im Folgenden verwendeten Bezeichnung “kleinere Unternehmen” sind primär Startups, KMU und auch Non-Profit-Organisationen in einer Beschäftigtengrößenklasse von bis zu 50 Mitarbeitern gemeint. Gleichwohl treffen die von den Experten genannten Aspekte vielfach auch auf größere Organisationen mit mehreren Hundert oder Tausend Beschäftigten zu. 

Themenfeld: "Risiken, Herausforderungen und Auswirkungen der Krise"

staffboard: Alexandra, welche Herausforderungen siehst Du durch die aktuelle Corona-Krise auf (kleinere) Unternehmen zukommen, speziell im Kontext Deiner Expertise?

Alexandra Edl: Die aktuelle Situation bringt viele Unternehmen, ob groß oder klein, in eine wirtschaftlich angespannte Lage: Ich sehe bereits Massenentlassungen von v.a. Mitarbeitern in Probezeit, Kurzarbeit mit Lohnkürzungen um 40 Prozent, Umsatzrückgang oder -stopp, sowie Projekt- und Vertriebsstopps auf unbefristete Zeit.

Warum ist das aus Deiner Sicht “mission critical” für viele (kleinere) Unternehmen und damit potentiell gefährlich für deren Fortbestehen?

Viele (kleine) Unternehmen sind direkt abhängig von den monatlich generierten Umsätzen, um ihre Fixkosten zu decken. Die Miete und die Gehälter und Löhne wollen weiter gezahlt werden. Die finanziellen Engpässe steigern sich für viele Unternehmen noch, da die Zuversicht beziehungsweise Vertrauen im Markt derzeit fehlt, vor allem, wenn es um Bankfinanzierungen und Ähnliches geht. Investoren sind vorsichtig und vertagen ihre Finanzierungsrunden beziehungsweise sagen Notar-Termine ab. Schlichtweg: Hier geht es um das finanzielle Überleben vielen Unternehmen. Mit jeder Woche, den der Shutdown ohne klare Perspektive länger anhält, werden wir weitere Insolvenzen sehen. Da helfen auch die minimalen finanziellen Mittel, die der Bund zur Verfügung stellen will, nicht. Das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

“In dieser Krisensituation zeigt sich die wahre Qualität von HR in einem Unternehmen und der Wert beziehungsweise die Bedeutung von Mitarbeitern für die Geschäftsführung.”

Themenfeld: "Mitarbeiter, Führung und HR"

Du arbeitest unter anderem als Systemischer Coach und beschäftigst Dich damit, Menschen Orientierung zu geben. Was macht diese Situation mit den Menschen? Welche Effekte erwartest Du für die Führungskräfte und Mitarbeiter in (kleineren) Unternehmen? Was braucht es, um zielgerichtet damit umzugehen?

Für die meisten Menschen ist es eine psychische und physische Belastung. 
Für die Führungskräfte in den Unternehmen bedeutet es stärker denn je Verantwortung für das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu übernehmen, sich proaktiv zu kümmern und zu kommunizieren. Sie halten ihre Teams durch regelmäßige Videokonferenzen zusammen und sind hoffentlich auch der “Cheerleader”, der die Stimmung hoch hält. Einige Führungskräfte werden auch eine Veränderung dahingehend spüren (und hoffentlich beibehalten), die den Mitarbeitern mehr Autonomie und Vertrauen gibt. 
Auf Seiten der Mitarbeiter gibt es eine Vielzahl an Herausforderungen, je nach individueller Situation und Persönlichkeit. So z.B. diejenigen, die alleine im Home Office sitzen und der Depression und Vereinsamung versuchen zu entkommen. Oder die zahlreichen Väter und Mütter, die mit (derzeit auch noch zu betreuenden) Kindern über mehrere Wochen die Familie und den Job meistern müssen ohne dabei selbst zu scheitern. Viele Mitarbeiter auf Jobsuche, in Probezeit, in Kurzarbeit oder Freiberufler, die Existenzängste haben.

Wie bewertest Du die Rolle von HR (Human Resources / Human Relations / Personalwesen)? Was kann – oder sogar: muss – HR tun, um eventuell gegenzusteuern und die Organisation weiter zu stabilisieren?

Hier zeigt sich die wahre Qualität von HR in einem Unternehmen und der Wert beziehungsweise die Bedeutung von Mitarbeitern für die Geschäftsführung: 
Wie proaktiv und transparent wird kommuniziert? Wo steht das Unternehmen finanziell und welche Maßnahmen werden unternommen, um die Arbeitsplätze zu sichern? Bekomme ich meine Kündigung per E-Mail oder auf einer Video-Veranstaltung mit allen Mitarbeitern angekündigt?
W
elche Maßnahmen und technischen Möglichkeiten werden den Teams angeboten, um weiter effektiv zu arbeiten und den Zusammenhalt sicher zu stellen? Laptops, Headsets, Videokonferenzen, Virtual Lunches, Afterwork Drinks und Sport Sessions etc.
Welche Lösungen werden entwickelt, um finanzielle Engpässe zu vermeiden? Kündigung, Kurzarbeit, Rest-Urlaubsabbau etc. 
Aber auch die Arbeit von HR kann weiter gehen: Employer Branding über Soziale Medien, virtuelle Einstellungsprozesse und Onboarding-Veranstaltungen, Digitale Weiterbildungsangebote und Coaching und so weiter.

Themenfeld: "Digitalisierung, Kompetenzen und Mindset"

Du hast deutlich gemacht, dass HR eine ganz zentrale Bedeutung hat. Welche Sofortmaßnahmen können (kleinere) Unternehmen direkt ergreifen, um weiterhin handlungsfähig zu bleiben? Gibt es eventuell ganz konkrete Handlungsanweisungen speziell aus Deiner Perspektive?

Viele moderne Unternehmen haben auch zuvor schon Möglichkeiten der flexiblen Arbeitsweise ihren Mitarbeitern angeboten – und hier in den letzten Wochen einen klaren Vorsprung gehabt. Für alle anderen war es jetzt an der Zeit den Mitarbeitern moderne Arbeitsgeräte zu geben, um von daheim problemlos arbeiten zu können. Weitere Ideen könnten sein: 

  • Mitarbeitern, die alleine sind oder daheim nicht die Möglichkeit haben (Infrastruktur wie zum Beispiel Drucker, Internet, Platz, Ruhe), erlauben ins Büro zu kommen (unter Einhaltung der behördlichen Vorgaben). Bei einer zu großen Anzahl an Mitarbeitern kann man dies auch im täglichen Wechsel durchführen. 
  • Wöchentliche Abstimmungen mit der Geschäftsführung und HR für die jeweiligen Teamleiter.
  • Tägliche Teammeetings mit Video-Kamera.
  • Resturlaub abbauen und gegebenenfalls Urlaub jetzt nehmen, wenn es “ruhig” ist.
  • Kurzarbeit beantragen, bevor man Mitarbeitern kündigt.
  • Arbeitgeber können Eltern anbieten ihre Arbeitszeiten zu reduzieren, um die Betreuung der Kinder und den Job besser meistern zu können.
  • Virtuelle Angebote zum Beispiel in Form von: Lunch Dates, Coffee Dates, virtueller Arbeitsraum, Sport Angebote, Coaching-Sessions, e-learning-Angebote zur Weiterbildung.


Welche Rolle kann Digitalisierung spielen, um Antworten in der Krise zu finden? Können digitale HR-Lösungen einen Mehrwert bringen?

Digitalisierung ist mehr denn je die Antwort, um diese Situation gut zu meistern. Home Office, Videokonferenzen, Chatprogramme und SaaS-Lösungen für die inhaltliche Teamarbeit wie zum Beispiel ERP und CRM Systeme, HR Management Systeme etc. sind unablässig in heutiger Zeit.

Für die Arbeitswelt sehe ich die Chance, dass die alte “Führung” gerade lernt auch modern zu funktionieren: Mit Vertrauen und Autonomie. Ohne Kontrolle und Anwesenheitspflichten.

Themenfeld: "Chancen, Gewinner und Ausblick"

Lass uns eine Plattitüde bemühen: Gemeinhin heißt es, dass jede Krise auch neue Chancen mit sich bringt. Wie bewertest Du das in diesem Kontext? Welche Chancen siehst Du und warum? 

Für die Arbeitswelt sehe ich die Chance, dass die alte “Führung” gerade lernt auch modern zu funktionieren: Mit Vertrauen und Autonomie. Ohne Kontrolle und Anwesenheitspflichten. 
Aus Recruiting-Sicht, sehe ich eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt für Unternehmen, die Talente suchen. Was vorab schwierig war, wird ironischer- und traurigerweise jetzt und danach wieder leichter. 
Eine weitere Chance: Die Digitalisierung in der Arbeitswelt bekommt eine Push und wird flächendeckend flexiblere und moderne Zusammenarbeit erlauben.

Auch wenn Du kein Hellseher bist interessiert uns Deine Einschätzung: Welche Unternehmen bzw. Branchen werden aus Deiner Sicht am meisten profitieren, wenn die Krise wieder vorbei ist und so etwas wie “Normalität” einkehrt? Warum gerade die von Dir genannten?

Ich denke, alle “digitale” Unternehmen – sofern sie derzeit keine Finanzierung benötigen – und moderne Arbeitnehmer, mit Flexibilität und Vertrauen in ihre Mitarbeiter, werden weniger Schaden aus der Situation tragen.

Möchtest Du den Lesern noch einen wichtigen Gedanken mit auf den Weg geben? 

Derzeit beobachte ich vielmehr, dass die Mehrzahl der Menschen sich den breiten Medien widerstandslos unterwirft. Was hier derzeit (in Deutschland) passiert ist von keiner Verfassung und keinem Grund- oder Infektionsschutzgesetz legitimiert und sollte uns alle sehr viel skeptischer stimmen. Ich hoffe sehr, dass wir uns alle eine fundierte Meinung zur aktuellen Situation machen, welche auf fundierten und belegten Daten und Fakten beruht und nicht aus panischen Bildern und Schlagzeilen. Große Teile der Fachwelt sind sich einig, dass eine sogenannte “Herdenimmunisierung” stattfinden muss. Das heißt, der Weg aus dem schnellen Shutdown muss sein: Man schützt gezielt die Risikogruppen, während man dem Rest der Bevölkerung seine Grundrechte und sein Leben zurückgibt und damit erlaubt, sich zu immunisieren.

Über unsere heutige HR Expertin: 

Mein Name ist Alexandra Edl und ich bin Gründerin und Inhaberin von Alexandra Edl Coaching. Als Beraterin, Systemischer Coach und Interim Managerin unterstütze ich Unternehmen dabei nachhaltige Personalprozesse zu etablieren und den Personalbereich zu professionalisieren. Meine Kunden schätzen meinen Background aus Finanzen, Projektmanagement und Coaching, welche ich aus der Welt der Großkonzerne und als Personalleiterin in einem schnell wachsenden Startup gewonnen habe. Als Mehrwert biete ich meinen Kunden professionelles, strukturiertes Arbeiten gepaart mit einer pragmatischen, schnellen, modernen und ergebnisorientierten Arbeitsweise.

Alexandra Edls Expertise und fachlich-inhaltlicher Hintergrund: 

  • HR Strategie
  • Leadership & Führung 
  • Organisationsentwicklung
  • Unternehmenskultur & Werte
  • Aufbau und Skalierung von HR-Prozessen und Organisationsstrukturen
  • Digitalisierung (von Unternehmensprozessen)

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